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Die 1. Lautverschiebung: Ausgliederung des Germ. aus dem Idg.[]

Die erste Lautverschiebung (auch „Germanische Lautverschiebung“, „Grimmsches Gesetz“, benannt nach dessen Entdecker Jacob Grimm) ist ein lautliches Kennzeichen des Germanischen. Das Germanische hat sich u. a. mit der 1. Lautverschiebung aus dem Indogermanischen ausgegliedert (andere Ausgliederungsprozesse sind beispielsweise die Einführung des Initialakzents, die Entstehung der schwachen Verben oder die Funktionalisierung des Ablauts zur Bildung der Tempusformen starker Verben).

Betroffen von der ersten Lautverschiebung waren die idg. unbehauchten/behauchten stimmlosen Plosive p, t, k / ph, th, kh sowie die unbehauchten/behauchten stimmhaften Plosive b, d, g / bh, dh, gh und der Frikativ s.

Die 1. Lautverschiebung im Detail

Die 1. Lautverschiebung


Für die folgenden Beispiele werden Ausgangssprachen verwendet, die zwar zur idg. Sprachfamilie gehören, aber nicht dem germanischen Zweig zuzuordnen sind (z. B. Latein, Griechisch, Altindisch). Diese Sprachen repräsentieren den idg. und damit unverschobenen Zustand, sie haben die erste Lauverschiebung nicht vollzogen. Die Produkte der ersten Lautverschiebung werden hingegen mit Wörtern aus germanischen Sprachen angezeigt, da diese sich durch die Durchführung der ersten Lautverschiebung ausweisen.

1. unbehauchte/behauchte Plosive > a) stl. Frikativen / b) sth. Frikativen

Die behauchten und unbehauchten stl. Plosive können zusammengefasst betrachtet werden, da sie zum Germanischen die gleiche Entwicklung nehmen.

1

Ob p(h), t(h), k(h) zu a) stimmlosen oder b) stimmhaften Frikativen wurde, ist akzentbedingt. Die Verschiebung zu b) fand statt, wenn im Idg. der Akzent dem betreffenden Konsonanten nicht unmittelbar vorausging und wenn die Umgebung stimmhaft (intervokalisch oder zwischen Vokal und stimmhaften Konsonanten) war. Die Verschiebung zu a) fand statt, wenn im Idg. der Akzent dem betreffenden Konsonanten unmittelbar vorausging oder in stimmloser Umgebung wie dem Anlaut (Bsp. (3)). Bei griech. patér (mit Endbetonung) zeigt sich sowohl eine Verschiebung vom stl. Plosiv zum stl. Frikativ im Anlaut a) als auch vom stl. Plosiv zum sth. Frikativ b) – hier geht der Akzent dem betreffenden Konsonanten t nicht unmittelbar voraus, sondern liegt direkt nach dem Konsonanten.

Die Akzentbedingungen, die bei a) und b) greifen, wurden vom dänischen Sprachwissenschaftler Karl Verner 1875 als Lautgesetz formuliert (Vernersches Gesetz). Auf das Vernersche Gesetz ist der Grammatische Wechsel zurückzuführen: In der obigen Übersichtstabelle wird deutlich, dass die aus p(h), t(h), k(h) entstandenen stl./sth. Frikative jeweils unterschiedliche Entwicklungen zum Ahd. vollziehen. So kommt es zum Beispiel zu einem Nebeneinander der Konsonanten h (aus germ. stl. Frikativ) - g (aus germ sth. Frikativ) in nhd. ziehen - zog. Nähere Erläuterungen zu diesem Phänomen finden Sie im Punkt Grammatischer Wechsel.

Die Verschiebung von p, t, k unterbleibt in den Verbindungen sp, st und sk. Außerdem wird t in pt und kt nicht verschoben.

Ausnahmen






2. stl. Frikativ s > a) stl. Frikativ s / b) sth. Frikativ z > Liquid r

Für die Verschiebung von idg. s greifen die gleichen Bedingungen wie unter 1. Die Verschiebung a) zum stl. Frikativ fand statt, wenn im Idg. der Akzent dem betreffenden Konsonanten unmittelbar vorausging oder in stimmloser Umgebung wie dem Anlaut. Die Verschiebung b) zum sth. Frikativ z bzw. die Weiterverschiebung zum Liquid r trat ein, wenn im Idg. der Akzent dem betreffenden Konsonanten nicht unmittelbar vorausging und wenn die Umgebung stimmhaft war. Der Lautwandel vom sth. z zum Liquid r wird als Rhotazismus bezeichnet. In den etymologisch verwandten Wörtern verlieren - Verlust spiegelt sich die unterschiedliche Entwicklung vom idg. stl Frikativ s wider, die an unterscheidliche Akzentverhältnisse gekoppelt war (siehe mehr unter dem Punkt Grammatischer Wechsel).


3. sth. behauchte Plosive > sth. Frikativen

Die sth. behauchten Plosive b(h), d(h), g (h) entwickeln sich im Germanischen zunächst zu den sth. Frikativen.

1 lv behauchte sth





Wie vor allem das erste Beispiel zeigt, waren die entstandenen sth. Frikative noch im späten Germanischen von einer Weiterentwicklung zu den unbehauchten sth. Plosiven b, d, und g betroffen. Diese entwickelten sich im Ahd. sprachgeographisch different zu p, t, k bzw. b, d/dh/th, g, am häufigsten jedoch zu b, t und g, siehe hierzu auch die Medienverschiebung der 2. Lautverschiebung.


4. sth. unbehauchte Plosive > stl. Plosiven

Idg. b, d, g entwickelt sich zu germ. p, t, k.

1. LV unbeh. sth





Germ. p, t, k ist von der 2. Lautverschiebung betroffen und entwickelt sich im Ahd. stellungsbedingt zur Affrikate/zum Doppelfrikativ, so got. paida zu bair. Pfoad oder got. twai zu dt. zwei. Siehe hierzu die Tenuesverschiebung der 2. Lautverschiebung.

Die Datierung der 1. Lautverschiebung[]

Die Datierung des Beginns der ersten Lautverschiebung ist problematisch. Eine erste Annäherung kann über die Betrachtung der Entwicklung des Wortes Hanf erfolgen. Dieses Wort geht auf das Skythische – eine Sprache, die dem nordostiranischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie zugehörig war – zurück und wurde im 5. Jh. v. Chr. ins Griechische entlehnt: griech. kánnabis. Im Germanischen, das das Wort wohl kaum sehr viel früher übernommen haben dürfte, zeigt das Wort verschobene Konsonanten: *hanap-. Die Entwicklung von Hanf gibt also Hinweise darauf, dass die Regeln der ersten Lautverschiebung im 5. Jh. v. Chr. bereits gegriffen haben. Allerdings kann keine Aussage darüber gemacht werden, wann die Verschiebung ursprünglich begonnen hat.

Das Ende der ersten Lautverschiebung lässt sich einfacher datieren: Im 3. und 2. Jh. v. Chr., also in einer Zeit, in der die Germanen bereits erste Kontakte mit den Römern hatten, waren lateinische Lehnwörter im Germanischen nicht mehr von der 1. Lautverschiebung betroffen.

Literatur[]

Bergmann, Rolf / Pauly, Peter / Moulin, Claudine (20077): Alt- und Mittelhochdeutsch. Arbeitsbuch zur Grammatik der älteren deutschen Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. Göttingen.

König, Werner (200716): dtv-Atlas Deutsche Sprache. München.

Meineke, Eckhard / Schwerdt, Judith (2001): Einführung in das Althochdeutsche. Paderborn.

Schmidt, Wilhelm (200710): Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. Stuttgart.

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